Immer wieder im Leben hat sicher jeder mal das Gefühl, dass links und rechts um einen nur Abgrund ist. Seit meiner Diagnose habe ich die meiste Zeit das Gefühl, dass um mich herum nur Abgrund existiert. In meinem Leben davor habe ich in solchen Situationen immer wieder einen schmalen Pfad daraus gesehen. Solche Momente kennst du ganz bestimmt auch.
Die letzten neun Jahre existierte nur die Insel auf der ich stehe, und die ist dermaßen klein und rundherum nur tiefer dunkler Abgrund. Die Angst einen falschen Schritt zu tun und für immer abzustürzen ist stark. Gleichzeitig hat sie mir tagein tagaus geholfen, mir einen extrem schmalen Weg der Hoffnung vorzustellen.
Nach all den Jahren habe ich beschlossen, den Abgrund und die existenziellen Angst hinter mir zurückzulassen und zu fliegen. Nicht auf dem schmalen Pfad kleine Schritte zu machen. Habe den Blick für immer gehoben und beschlossen, über den Abgrund zu fliegen. Alles oder nichts. Genau das bin ich. Ich fliege in ein neues Leben. Nicht nur ein schmaler Pfad, wo ich mich alleine auf meine kleinen Schritte konzentriere. Ich will fliegen und so viele wie möglich mit ähnlicher Geschichte motivieren. Ich will dir helfen, den Blick zu heben egal wie aussichtslos deine Situation ist. Dir helfen, zum Himmel hinauf zu schauen und dich nicht nur auf deine kleinen Schritte zu konzentrieren. Vollkommen zu vertrauen und ganz bewusst weiter zu gehen. Immer weiter nach vorn. Ich bin den richtig steilen und steinigen Weg der Krebserkrankung gegangen. Ich kenne ihn. Den Mut – das weiß ich heute - habe ich bekommen um so vielen wie möglich eine Hoffnung aufzuzeigen.
Es ist wichtig und auch richtig immer wieder mal stehen zu bleiben. Sich zu sammeln. Dir das Ziel wieder vor die Augen zu stellen um dann weiter gehen zu können. Aus der Vergangenheit zu lernen. Sich zu verzeihen und sich annehmen. Bei sich komplett anzukommen. An die Zukunft zu denken und hoffen. Und ganz wichtig: im Heute zu leben und DU selbst zu sein. Alles Sprüche, die jeder von uns kennt. Es zu verinnerlichen und zu leben, ist nochmal eine ganz andere Challenge. Mein Weg, dein Weg, jeder ist einzigartig. Umso wichtiger heutzutage in dieser Welt einen eigenen Weg zu erkennen und zu gehen. Und auch da bin ich nun endlich angekommen. Hebe deinen Kopf und lass dir helfen zu fliegen. Der Himmel ist groß genug für uns alle.
An dieser Stelle ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, von meiner Seite einmal richtig so vielen tollen Menschen in meinem Leben zu danken. Menschen, die für mich immer und immer wieder unermüdlich da waren und Halt gegeben haben. Sie haben meinen gesenkten Kopf gestreichelt und wenn ich nicht gehen konnte, haben sie mich mit der größten Selbstverständlichkeiten gestützt. Immer und immer und immer wieder. Unermüdlich, trotz eigener Herausforderungen im Leben. Dank dieser Menschen und unserer gemeinsamen Ausdauer und Kraft, ist nach so langer Zeit aus dem Abgrund eine Flugbahn geworden. Dank ihnen, breite ich jetzt meine Flügeln aus und habe beschlossen zu fliegen.
Aber jetzt erst richtig.
Aber jetzt erst richtig weit.
Jetzt erst richtig hoch.
Ich danke für die besten Eltern, die man in dieser Situation nur haben kann. Ich danke für die überhaupt beste Schwester, die Gott mir an die Seite gestellt hat. Den Schmerz und das Leid in den Augen dieser drei Menschen zu sehen war für mich schmerzlicher als jeder noch so unerträglicher körperlicher Schmerz und schlimmer als jede aussichtslose Situation, der ich mich stellen musste.
Ich danke meiner ganzen Familie, die auf der ganzen Welt zerstreut ist. Die örtliche Entfernung hat den Großteil von ihnen nie gehindert mir nahe zu sein. An mich zu denken und für mich zu beten und nach Möglichkeit zu helfen. Und natürlich diese vielen tollen Menschen, mit welchen ich nicht blutsverwandt bin aber so viele unbeschreibliche Seelenverwandtschaften teilen darf.
Viele Freundschaften sind auseinandergegangen. Viele neue, umso intensivere habe ich dazu bekommen. Und dann die, welche wirklich über die Jahre durch Dick und Dünn mit mir gegangen sind. Ich bin so reich gesegnet mit so vielen tollen Menschen umgeben zu sein und enorm dankbar, das größte Geschenk auf der Welt bekommen zu haben. Durch diesen Weg in den letzten neun Jahre kann ich sagen und durfte lernen, was richtige und wahre Freunde sind. All jene Menschen, mit welchen man durchs Leben geht.
Und zu guter Letzt: Krankenschwester und Ärzte*innen. Von den Zweiten besonders die guten und ja auch die weniger guten. An dieser Stelle ist es mir besonders wichtig, die Schwestern der Station 4A zu erwähnen und meinen unbeschreiblichen Dank auszusprechen. Meinen Schutzengeln und meinen Bewachern im Spital. Ohne sich vorher zu kennen haben sie den besten und phenomenalsten Job gemacht, den man nur machen kann.
Ja und selbstverständlich die Ärzte*innen. Sie haben hart gekämpft und alles gegeben. Einzelne Schwestern wie auch Ärztinnen haben sich auch die Zeit genommen, meiner Familie am vermeintlichen Sterbebett beizustehen. Trotz allem fachlichem Wissen und der aussichtslosen Situation. Jene, welche ihren Job als wahre Berufung und mit Herz und Seele ausüben. Jene, von welchen es immer weniger gibt.
Jede/r Einzelne hat geholfen zu glauben, zu helfen, zu beten, zu hoffen, zu handeln und zu unterstützen. All diese vielen tollen Menschen waren mir Stütze und so durfte ich meinen Glauben haben, ihn immer weiter vertiefen, ihn stärken und in ihm wachsen.
An dieser Stelle möchte ich auch jenen Ärzte erwähnen, welche ihre Arbeit noch weniger als halbherzigen ausüben und vergessen haben, für welche Aufgabe sie sich entschieden, welchen Eid sie geleistet haben und welche Verantwortung sie tragen. Leider gibt es von ihnen einfach zu viele. Ihnen möchte ich an dieser Stelle sagen: Es gibt Wunder. Seht hin. Ich bin noch da. ICH BIN EIN WUNDER!
Quicklebendig sprenge ich ihre Hoffnungslosigkeit, Gleichgültigkeit und ihr Vertrauen auf Studien und menschlichen Verstand. ICH LEBE!
Wahrscheinlich lebendiger als jemals zuvor und mit unendlicher Dankbarkeit bereit abzuheben und zu fliegen.Was ist geschehen?
Danke für euch. Danke, dass ich noch da sein darf. Danke, dass ich jetzt abheben und fliegen darf. DANKE!!!
Es gibt so viele Gründe, für welche ich unendlich dankbar bin, und umso mehr der Wille und der Segen weiter leben zu dürfen. Und die Hoffnung auch für viele ein Licht sein zu dürfen.
Die Krebszahlen wuchern von Tag zu Tag. Niemand ist von dieser Krankheit gefeit.
Meine Diagnose und der Weg, der folgte, waren mehr als grausam. So viele Momente hätten das Ende bedeutet und noch so viel öfter wollte ich müde und immer müder, vollkommen erschöpft aufgeben. So viel Hoffnungslosigkeit, so viele aussichtslose Situationen.
ABER: Ich bin und darf noch hier sein! Stärker als ich jemals war. So stark, dass mir diese Stärke selbst manchmal Angst bereitet. Endlich sehe ich darin meinen eigenen Weg mit dieser Stärke und meinen eigenen neuen Platz in diesem Leben.
Ich bekam als Gaben die Kraft, die Stärke, die Ausdauer und das Durchhaltevermögen.
Ich bekam die freudige und fröhliche Natur.
Ich bekam die Leichtigkeit, auf die Dinge und das Leben schauen zu können.
All das und noch so viel mehr macht mich aus. Aber erst heute mit Mitte Vierzig habe ich dies erkannt.
Danke für euch.
Danke, dass ich noch da sein darf.
Danke, dass ich jetzt abheben und fliegen darf.
DANKE!!!
Mein Tipp:
Ob man über „dem Berg“ ist, kann niemand sagen. Krebs ist eine chronische Erkrankung. Darum geht es hier auch nicht. Jeder Tag kann der letzte sein. Wie schnell es gehen kann, hab ich zwei Mal erlebt und überlebt
Lebe heute. Lebe jetzt.
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